11.12.2016
Nachruf auf einen Revolutionär: Fidel Castro
Viel ist über den Tod des kubanischen Revolutionsführers geschrieben worden, deswegen wollen wir uns hier kurz fassen. 1926 geboren als Sohn einen reichen Plantagenbesitzers, studierte
Castro in seiner Jugend Jura und setze sich frühzeitig für die Armen und Unterdrückten ein. So stachelte er die Landarbeiter auf der väterlichen Plantage zur Rebellion auf und leistete als
Student Widerstand gegen den korrupten, von den USA installierten Diktator Fulgencio Batista. Nach der Verschärfung von dessen Regime wählte Castro den militärischen Widerstand und überfiel mit
ein paar Dutzend Kämpfern die Moncada-Kaserne, doch der Angriff scheiterte und Fidel, sein Bruder Raul und weitere Revoluzzer wanderten ins Gefängnis, aus dem sie nach einigen Jahren nur durch
internationalen Druck freikamen.
Sofort plante Castro seine nächsten Aktionen – die militärische Befreiung der Insel von der Sierra Maestra aus gelang und die Revolutionäre – mit einem argentinischen Arzt namens Ernesto „Che“
Guevara an der Seite – zogen 1959 siegreich in Havanna ein.
Das Revolutionsregime, welches Castro installierte erfreut sich – trotz planwirtschaftlicher Mangelwirtschaft – großer Beliebtheit, denn es sorgte nicht nur für kostenfreie Bildung für alle,
sondern auch für ein hochwertiges, kostenloses Gesundheitssystem. Auf psychologischer Ebene war wohl auch wichtig, daß Castro den Kubanern die Würde und nationale Freiheit wiedergab, denn vorher
war das Land nur ein Bordell und Casino für reiche US-Amerikaner gewesen. US-Unternehmen wurden verstaatlicht, eine äußerst erfolgreiche Alphabetisierungskampagne eingeleitet.
Kritiker werfen Castro vor, daß er mit dem Einparteienstaat unter Führung der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) selbst eine Diktatur errichtet hatte, vergessen aber, daß Castro, der
zunächst auf einen unabhängigen politischen Kurs bedacht war, durch die Umsturzversuche (1961 CIA-Invasion in der Schweinebucht) und zahlreichen Attentate aus den USA auf der Suche nach Schutz
der Sowjetunion geradezu in die Arme getrieben wurde.
Castro selbst ließ bei verschiedenen Gelegenheiten durchblicken, daß er die Repressalien bedauerte, die in Kuba notwendig seien, um die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen, denn die
USA lassen bis heute nichts unversucht, um das quasi-koloniale Verhältnis zu Kuba wieder herzustellen und um wieder in Besitz zu nehmen, was ihnen nicht gehört.
Während des Kalten Krieges versuchte Kuba seine Revolution nach Lateinamerika und Afrika zu exportieren. Alphabetisierungskampagnen in Nicaragua, wirtschaftliche Hilfe für Grenada, militärischer
Beistand für antikoloniale Befreiungsbewegungen in Algerien, Angola, Namibia, Mocambique und Äthiopien prägten die erfolgreiche Außenpolitik.
Der charismatische Revolutionär Fidel Castro war unter den Blockfreien Staaten ein geachteter Führer der Dritten Welt.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Wegfall der wichtigsten Handelspartner DDR und Sowjetunion stürzte Kuba in eine ökonomische Krise und in die Isolation. Die bolivarische Revolution in
Venezuela verschaffte Kuba eine Atempause und mit dem venezuelanischen Präsidenten Hugo Chavez erwuchs ihm ein politischer Ziehsohn. Gemeinsam gründeten Kuba und Venezuela den linken Staatenbund
ALBA, dem im Laufe der Jahre noch gut ein knappes Dutzend progressiv regierter lateinamerikanischer Länder beitrat.
Nach 47 Jahren an der Spitze Kubas übergab Castro aus gesundheitlichen Gründen 2006 die Macht an seinen fünf Jahre jüngeren Bruder Raul, den langjährigen Verteidigungsminister.
Doch bis zum Schluß meldete sich Castro mit seinen Denkschriften in der Öffentlichkeit zu Wort.
Über eine Million Kubaner nahmen an der Trauerfeier für den verstorbenen Revolutionsführer teil und zahlreiche Präsidenten und Ex-Staatschefs, vor allem aus Lateinamerika und Afrika, wo Castro
besonders verehrt wird, rückten an.
Selbst jene, die nicht teilnehmen konnten, da sie in Kämpfe verwickelt oder verfolgt werden, wie die anti-imperialistische Libysche Nationale Volksbewegung (LNPM), in welcher sich die
Anhänger der gestürzten Ghaddafi-Regierung sammeln, schickten eine Delegation in die kubanische Botschaft nach Kairo, um Castro die letzte Ehre zu erweisen.
Norwegisches Nobel-Komitee
Henrik Ibsens gate 51
0255 Oslo/Norwegen
Nominierung für den Friedensnobelpreis 2016
Sehr geehrte Mitglieder des Norwegischen Nobelpreis-Komitees,
als Sprecher der in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Bürgerbewegung Neue Richtung sowie als gewählter Abgeordneter der Großen Kreisstadt Döbeln (Bundesland Sachsen) schlage ich den
früheren Staatspräsidenten der Republik Sambia, Dr. Kenneth David Kaunda, für den Friedensnobelpreis vor.
Dr. Kaunda organisierte in den 1950iger Jahren den Unabhängigkeitskampf in Nordrhodesien (später Sambia) mit friedlichen Mitteln wie Streiks und Boykotten.
Nach der Unabhängigkeit Sambias 1964 übernahm Kenneth Kaunda die Staatsführung und wurde zu einem führenden Gegner der rassistischen Apartheid in Südafrika und Südrhodesien, dem heutigen
Simbabwe. Trotz mehrfacher Angriffe rhodesischer Truppen auf sambisches Staatsgebiet blieb Kaunda seinem Ideal der Gewaltlosigkeit treu und ließ sich nicht in einen Krieg mit der rhodesischen
Regierung von Ian Smith ziehen.
Mit seiner Ideologie des „Sambischen Humanismus“ formulierte Kaunda eine politische Linie, welche die Bedürfnisse des Menschen in den Mittelpunkt stellt und eine „Gesellschaft zu gegenseitiger
Hilfe“ propagiert.
Kenneth Kaunda vermittelte zwischen den schwarzen Befreiungskämpfern und dem weißen Apartheid-Regime in Südafrika und hat somit zur Überwindung der Rassentrennung beigetragen. Große Verdienste
erwarb er sich auch um das Zustandekommen der Verträge zwischen Südafrika, Mocambique und Angola 1984.
1991 leitete Kaunda als einer der ersten afrikanischen Staatsführer freie Wahlen ein und zog sich nach seiner Niederlage freiwillig zurück.
In den folgenden Jahren engagierte er sich im Kampf gegen AIDS (HIV) und setzte sich für eine Entschuldung der armen Entwicklungsländer ein als Präsident der Kampagne „Jubilee 2000“.
Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Dr. Kenneth David Kaunda für dessen Politik, die seinem Ideal der Gewaltlosigkeit folgte, würde auch wieder das Streben nach Frieden stärker in den
Mittelpunkt der Nobelpreisverleihung rücken, nach dem der Friedensnobelpreis zuletzt an Personen und Institutionen vergeben wurde, die andere Schwerpunkte als das Streben nach Frieden gesetzt
hatten.
Hochachtungsvoll,
Kay Hanisch
(Sprecher Neue Richtung)
Afrikas großer Sohn: Kenneth Kaunda wird 90 Jahre!
2.5.2014. Weitgehend unbemerkt von dem Massenmedien der westlichen Welt feierte ein politischer Dinosaurier, ein antikolonialer Vorkämpfer aus jenen Tagen, in denen die
europäischen Kolonialmächte ihre Kolonien dutzendweise in die Unabhängigkeit entließen, seinen 90. Geburtstag: Dr. Kenneth Kaunda, der frühere Staatsgründer und erste Präsident der Republik
Sambia. Kaunda ist neben Sir Dawda Kairaba Jawara von Gambia der letzte noch lebende Unabhängigkeitspräsident Afrikas, nach dem Algeriens Ahmed Ben Bella vor zwei Jahren gestorben war und prägte
fast drei Jahrzehnte die Politik seines Landes.
Kenneth David Kaunda wurde am 28. April 1924 als Sohn eines presbyterianischen Geistlichen und einer Lehrerin aus dem Njassa-Stamm geboren. Er besuchte mehrere Schulen, mußte sich sein Schulgeld
selbst verdienen.
Nach einer Qualifikation als Lehrer unterrichtete er an der Lubwa Training School. Später wurde er ordinierter Geistlicher der Kirche von Schottland und Gewerkschafter.
Gewaltlos für die Unabhängigkeit
In der 40iger Jahren schloß sich Kaunda dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) und wurde 1949 wegen Besitzes einer englischen Zeitschrift (!) verhaftet. 1953-58 wurde er
Generalsekretär des ANC, trat aber nach Meinungsverschiedenheiten aus und gründete den radikaleren Zambia-African National Congress (ZANC), der aber 1959 verboten wurde. Seine Anhänger
gründeten daraufhin die Vereinigte Nationale Unabhängigkeitspartei (UNIP) und wählten „KK“, so der Spitzname Kaundas, zu ihrem Parteichef.
Kaunda fuhr mit seinem Fahrrad durch das ganze Land, von Ort zu Ort, um die Bevölkerung für den Unabhängigkeitskampf zu gewinnen. Diesen versuchte er mit friedlichen Mitteln und passivem
Widerstand (Streiks und Boykotte) nach dem Vorbild des panafrikanisch-sozialistischen Staatschefs von Ghana, Kwame Nkrumah, zu verwirklichen.
Die ersten Parlamentswahlen 1964 bescherten der UNIP die absolute Mehrheit, je 10 Sitze fielen auf den ANC und die Europäerpartei, im gleichen Jahr wurde das Land unabhängig von
Großbritannien.
Staatsideologie der jungen Republik, die einen Kurs der Blockfreiheit und Neutralität im Kalten Krieg verfolgte, wurde der „Sambische Humanismus“ – eine von Kaunda entworfene politische
Philosophie, die Anleihen bei Urchristentum, Sozialismus und afrikanischen Traditionen machte und in deren Mittelpunkt der Mensch mit seinen Bedürfnissen steht. Eine ähnliche Ideologie,
vielleicht ein wenig strenger, verfolgte Julius Nyerere, der Präsident des Nachbarlandes Tansania, der in den kommenden Jahrzehnten der wichtigste außenpolitische Verbündete Kaundas bleiben
sollte. Der „Sambische Humanismus“ idealisierte die vorkoloniale Zeit, als die Bauern gemeinsam die Ernte einbrachten, aber gleichzeitig ihre Ackerfrüchte auf eigene Rechnung verkaufen konnten
und forderte eine „Gesellschaft zu gegenseitiger Hilfe“.
Ursprünglich zum Westen tendierend, entwickelte sich „KK“ zunehmend zum konsequenten Gegner westlicher Afrika-Politik und näherte sich dem Ostblock an. Nachdem immer mehr Parteien auf ethnischer
und regionaler Grundlage gegründet worden waren, drohte ein Auseinanderbrechen des jungen Staates und Kaunda folgte 1972 dem damals afrikanischen Trend zum Einparteiensystem und rief eine zweite
Republik aus.
Die sogenannte „Partizipatorische Einparteiendemokratie“ der UNIP war nicht besonders diktatorisch – die Partei präsentierte in jedem Wahlkreis drei Kandidaten, zwischen denen die Wählerinnen und
Wähler auswählen konnten.
Außenpolitisch geriet Sambia bald in die Isolation, da es sich als „Frontstaat“ gegen das südafrikanische Apartheidregime betrachtete. Im Süden grenzte das Land nämlich Südrhodesien (heute
Simbabwe) mit dem weißen Siedlerregime von Ian Smith und das von Südafrika besetzte Namibia, im Westen und Osten an die Kolonien Angola und Mocambique des halbfaschistischen Portugals, im Norden
lag die pro-imperialistische Diktatur Mobutu Sese Sekos in Zaire und im Westen das Malawi Hastings Kamuzu Bandas, der eng mit Südafrika kooperierte. Bis zur portugiesischen Nelkenrevolution 1975
war Tansania der einzige befreundete Nachbarstaat, über dessen Häfen fast der gesamte Außenhandel abgewickelt wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der Bau der TanSam-Eisenbahnlinie.
Als Mitte der 70iger Jahre die Preise für Sambias wichtigstes Exportgut Kupfer in den Keller fielen, verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage und das Land begann Schulden anzuhäufen, während
Kaunda auf internationalem Parkett immer mehr Bedeutung erlangte. Zweimal wurde er zum Vorsitzenden der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) gewählt und für seine Vermittlungsversuche
zwischen den weißen Regimen in Südafrika und Simbabwe einerseits und den schwarzen Befreiungskämpfern andererseits wurde er geachtet in Ost und West. Höhepunkt dieser Vermittlertätigkeit war ein
Treffen mit dem südafrikanischen Präsidenten Vorster auf der Eisenbahnbrücke über den Victoriafällen im August 1975. Große Verdienste hatte „KK“ auch um das Zustandekommen der Verträge zwischen
Südafrika, Mocambique und Angola 1984.
Von seiner ursprünglich gemäßigt prowestlichen Haltung entwickelte sich Kaunda sehr schnell zu einem scharfen Kritiker des Westens. Auch wenn er im eigenen Land als moralisch integere und
unbestechliche Führungsperson anerkannt war, so gelang es ihm doch nicht, die sich in den Staatsbetrieben ausbreitende Korruption wirksam zu bekämpfen.
Die Internationalen Finanzinstitutionen verlangten in den 1980iger von Sambia ein brutales Sparprogramm und die Streichung von Subventionen für Grundnahrungsmittel und andere staatliche
Leistungen. Da dies für Kaunda nicht akzeptabel war, verzichtete er auf die dafür angebotenen Kredite und kündigte ein eigenes „sambisches“ Sparprogramm, was soziale Grausamkeiten außen vor ließ.
Doch dies half nur für wenige Jahre. Ende der 80iger Jahre war Sambia wieder auf externe Kredite angewiesen um zu überleben.
Doch dieses Mal war Kaunda gezwungen, sich auf die Bedingungen von IWF, Weltbank und Co. einzulassen. Die Erhöhung der Preise für Brot und Maismehl – in Verbindung dem „Wind des Wandels“, der
nach dem Zusammenbruch des Ostblocks auch durch Afrika wehte, führte zur Entstehung einer Oppositionsbewegung um den Gewerkschaftsführer Frederick Chiluba und zu Massendemonstrationen. Der Name
von Chilubas Bewegung für Mehrparteiendemokratie (MMD) war Programm: man forderte das Ende der UNIP-Herrschaft und freie Wahlen. Kaunda warnte vor der Einführung des Mehrparteiensystems –
er befürchtete einen Rückfall in politisch-ethnischen Tribalismus. Letztlich versprach er aber die Durchführung eines Referendums über die Beibehaltung des Einparteiensystems, welches die Bürger
bei der Abstimmung dann auch ablehnten.
Bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen 1991 trat Kaunda gegen Chiluba an, unterlag aber mit 23,4% dem Gewerkschafter Chiluba, der 73,5% der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von nur 40%
errang. Die UNIP konnte nur 25 von 150 Parlamentssitzen ergattern, die MMD bekam 125 Mandate. Kaunda gab – neben Matthieu Kerekou in Benin – als erster „Big Man“ in Afrika freiwillig (nach 27
Amtsjahren) seine Macht ab und zog sich enttäuscht aus der Politik zurück. 1992 legte er dann auch den UNIP-Vorsitz nieder.
Das neue Regime macht Jagd auf den Staatsgründer
Die folgenden Jahre wurden für das Volk von Sambia aber nicht unbedingt besser. Chiluba entwickelte schnell autoritäre Gelüste und ging gegen seine politischen Gegner vor.
Wirtschaftlich entwickelte er sich zum Musterschüler des IWF und peitschte harte Sparprogramme durch, welche die Verarmung weiter anwachsen ließen.
Nicht wenige sehnten sich nach der Ära Kaunda zurück – sie erschien ihnen inzwischen als das kleinere Übel. Das führte dazu, daß KK 1995 noch einmal den Vorsitz der UNIP übernahm und sich
Hoffnungen auf eine Rückkehr an die Regierung machte.
Dies ließ Chiluba aber nicht kalt und er setzte alle Hebel in Bewegung, eine Kandidatur Kaundas zu verhindern. Nach einem Attentatsversuch auf den Staatsgründer und seinen Bündnispartner Rodger
Chongwe von der Liberal Progessive Front (LPF), der aber letztern nur leicht verletzte, wurde Kaunda wegen eines angeblichen Umsturzversuches inhaftiert, der aber nichts weiter war, als
die Besetzung einer Rundfunkstation durch betrunkene Soldaten.
Durch internationalen Protest – besonders durch Nelson Mandela (Präsident Südafrikas 1994-1999) und Julius Nyerere (Präsident Tansanias 1962-1985), der Kaunda in der Haft besuchte – kam der
prominente Häftling frei. Dafür mußte Kaunda versprechen, sich aus der Politik zurückzuziehen und 1998 legte er den UNIP-Vorsitz endgültig nieder, womit die Partei in der politischen Versenkung
verschwand.
Zur „Sicherheit“ ließ Chiluba die Verfassung ändern, so daß Kaunda nicht mehr zur Wahl antreten konnte, weil er nicht in Sambia geboren war, zumal es zur Zeit seiner Geburt überhaupt noch gar
nicht existierte.
2001 gelang der UNIP mit Kaundas farblosem Sohn Tilyeni an der Spitze noch einmal ein kurzes Comeback, als sie mit 13 Mandaten wieder ins Parlament einzog. Tilyeni Kaunda erhielt zur
Präsidentschaftswahl rund 10% der Stimmen, doch dies war nur ein kurzes politisches Aufflackern der traditionsreichen Unabhängigkeitspartei. Zwar existiert die UNIP noch heute, allerdings tritt
sie vornehmlich in gemeinsamen Wahlbündnissen mit anderen, mittlerweile größeren Parteien an.
Internationales Ansehen
Kenneth Kaunda allerdings trat in seinem parteipolitischen Nachleben eine „Karriere“ als „Elder Statesman“ an. So war er zwischen 2002 und 2004 ein „afrikanischer Präsident in Residenz
an der Universität Boston“. Zuvor setzte er sich als Sprecher der Kampagne „Jublilee 2000“ für eine massive Entschuldung der Entwicklungsländer ein und kritisierte die auf Ausbeutung abzielende
Afrikapolitik des Westens. 2007 trat er als einer der Eröffnungsredner auf dem Weltsozialforum auf, während er zeitgleich seine „Kenneth-Kaunda-Stiftung Demokratie und Frieden“ weiterhin
aufbaute.
2008 gehörte Kaunda zu einer Gruppe afrikanischer Ex-Staatschefs, die während der bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Kenia vermittelten.
Auch arbeitete er in einer „Denkfabrik“ ehemaliger Staatschefs – u.a. gemeinsam mit Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und dem früheren US-Präsidenten Jimmy Carter – mit. Aus diesem Kreis ist
eine relativ bekannte Erklärung über Menschenrechte und Menschenpflichten entstanden.
International vernahm man Kaundas Stimme immer seltener – etwa, wenn er sich gegen den Angriff der USA auf den Irak 2003 aussprach oder den äthiopischen Einmarsch in Somalia kritisierte. Doch in
den südlichen Ländern Afrikas, besonders jenen, die wie Simbabwe, Namibia oder Südafrika unter dem brutalen System der Rassentrennung gelitten haben, ist er immer noch populär.
Inzwischen ist die Ära Chiluba in Sambia lange vorüber und die nachfolgenden Parteifreunde Levy Mwanawasa und Rupiah Banda (beide MMD) des kleinwüchsigen Autokraten haben diesen sogar wegen
Korruption ins Gefängnis gesteckt. Seit 2011 regiert nun der Linksnationalist Michael Sata von der Patriotischen Front (PF), der zu Kaunda ein entspannteres Verhältnis hat, selbst früher
der UNIP angehörte und sogleich auch den hauptstädtischen Flughafen in „Kenneth-Kaunda-Airport“ umbenennen ließ. Im letzten Jahr durfte der greise Kaunda sogar den Präsidenten offiziell im
Ausland vertreten.
Auch modisch scheint Kaunda zur Kultfigur zu werden. Ein Modelabel namens „Kenneth Kaunda“ vertreibt jetzt jene uniformartigen Anzüge und Hemden, die durch den prominenten Träger in den 70iger
und 80iger Jahren weltweit bekannt worden. Zur Vorstellung der Kollektion kam Kaunda auf Einladung der Designer persönlich vorbei und durchschnitt – ziemlich wackelig auf den Beinen – ein
Bändchen.
Nun wurde dieser Vorkämpfer für ein friedliches Miteinander aller Völker, für Demokratie und Gewaltfreiheit also 90 Jahre alt. Anders als bei Nelson Mandela machte die Presse keinen Hype um
diesen runden Geburtstag Kaundas. Zu unbequem war Kaunda während seiner Amtszeit für den Westen und darüber hinaus. In deutschsprachigen Medien ist nicht einmal eine Kurzmeldung über dieses
Jubiläum zu finden, zu dem der frühere MMD-Staatschef Rupiah Banda die Grußworte sprach.
Die aufrechten Demokraten und Friedensfreunde dieser Welt sehen in Dr. Kenneth Kaunda aber ein moralisches Vorbild, der seinem Ideal der Gewaltfreiheit selbst dann treu blieb, als in den 70iger
Jahren Streitkräfte des rassistischen Regimes von Ian Smith aus Südrhodesien Brücken und Siedlungen in Sambia bombardierten. Zwar führte dies zur Aufrüstung der sambischen Luftwaffe, jedoch ließ
sich Kaunda nicht wie von Südrhodesien beabsichtigt in einen Krieg hineinziehen.
Kay Hanisch
Mai 2014
10.3.2013
Nachruf auf einen Helden: Hugo Chavez
„Heute ist kein Mensch gestorben, sondern eine Legende wurde geboren.“ So drückte es ein venezuelanischer TV-Moderator aus, als er von der traurigen Nachricht über den Tod von Hugo
Chavez, dem geschätzten und beliebten Präsidenten Venezuelas sprach, der nicht nur sein Land, sondern auch ganz Lateinamerika zum Positiven verändert hat und sich anschickte, für Millionen von
Menschen weltweit zum Hoffnungsträger zu werden.
1992 trat der Offizier Chavez erstmals politisch in Erscheinung, als er mit einem Putschversuch seines Fallschirmjägerbataillons scheiterte und zur Kapitulation gezwungen wurde. Er machte es zur
Kapitulationsbedingung, daß er live im Fernsehen seine Motive für den Umsturzversuch darlegen konnte und so erfuhr die Mehrheit der Venezuelaner von ihm. Nicht nur die weitverbreitete Armut der
Bevölkerung trotz des Ölreichtum des Landes, die Korruption des Regimes von abwechselnd regierenden Christ- und Sozialdemokraten, sondern auch der brutale Einsatz des Militärs durch den
sozialdemokratischen Machthaber Carlos Andres Perez 1989 gegen friedliche Demonstranten waren einer der Gründe für den Putschversuch der progressiven Militärs um Chavez.
Nachdem Putschversuch verschwand Chavez im Gefängnis, doch stattdessen tauchten überall Graffitis auf, die seine Freilassung forderten und seine Popularität im Volk nahm stetig zu. Der ehemalige
christdemokratische Präsident Rafael Caldera (1969-74), der sich vom korrupten Parteiensystem losgesagt hatte und im Alter von 77 Jahren 1993 als Unabhängiger – unterstützt von einem Bündnis
linker Splittergruppen – noch einmal als Präsident bewarb, wußte das zu nutzen. Er gewann die Wahl u.a. wegen des Versprechens, die Putschisten zu amnestieren und in Freiheit zu entlassen, was er
dann auch tat.
Chavez machte sich nun daran, seine Bewegung für die Fünfte Republik (MVR) aufzubauen, mit der er 1998 den Wahlsieg holte und Caldera im Amt ablöste. Seit 1998 gewann Hugo Chavez alle
Wahlen und zahlreiche Referenden. Seine Regierung legte ein beachtliches revolutionäres Tempo vor.
Eine neue Verfassung mit direktdemokratischen Elementen, die eine Mitbestimmung des Volkes ermöglicht, wurde verabschiedet, die Erdölindustrie und andere Schlüsselindustrien verstaatlicht.
Kostenlose Gesundheitsversorgung, die Bekämpfung der Armut und des Analphabetentums waren – teilweise dank kubanischer Hilfe – erfolgreich. Den USA trat Venezuela von nun an selbstbewußt
gegenüber und kritisierte deren Politik in Lateinamerika.
Das US-Regime versuchte Chavez 2002 bei einem initiierten Putschversuch ermorden zu lassen und setzte den Chef des Unternehmerverbandes als „Übergangspräsidenten“ von Washingtons Gnaden ein.
Chavez, von rechten Teilen des Militärs gefangen und entführt, war nur noch am Leben, weil er sich bisher geweigert hatte, eine Rücktrittserklärung zu unterschreiben. Doch plötzlich kamen die
Armen von Hügeln der Hauptstadt Caracas und aus den Elendsvierteln auf die Straßen und vertrieben die Putschisten aus dem Präsidentenpalast Miraflores. Chavez kam frei, die US-freundlichen
Putschisten gaben auf.
2004 und 2006 kamen mit dem Indio Evo Morales und dem linksnationalen Ökonom Rafael Correa in Bolivien bzw. in Ecuador zwei Staatschefs an die Macht, die ähnlich dachten wie Chavez und die –
neben Kuba – fortan zu dessen treuesten Alliierten gehörten und ähnliche Projekte in ihren Ländern starteten. Ein linker, regionaler Machtblock war geboren wurden und widersetzte sich diverser
Putschversuche, welche die USA zu inszenieren versuchten.
In ganz Lateinamerika kamen plötzlich mehr oder weniger linke Regierungen in Mode – ob nun eher gemäßigt wie in Brasilien, Chile, Uruguay, Guatemala, Paraguay, El Salvador oder populistisch wie
in Argentinien und Panama. Nicaragua wählte wieder Daniel Ortega, den früheren sandinistischen Guerillaführer und Staatschef der 80iger Jahre zum neuen Präsidenten und selbst Manuel Zelaya, der
Staatschef von Honduras, der als Mitglied der konservativen Liberalen Partei (PLH) gewählt wurde, fabulierte nun von einem „sozialen oder sozialistischen Liberalismus“, den er einzuführen
gedachte.
Der Einfluß der USA, die Lateinamerika seit Jahrzehnten als ihren Hinterhof betrachteten und mit Bürgerkrieg überzogen, verschwand zusehends.
Chavez war der Motor einer tieferen Kooperation und Integration der amerikanischen Staaten, welche sich nun in verschiedenen Bündnissen wie UNASUR oder ALBA organisierten.
Hugo Chavez hatte nicht nur sein Land, sondern auch einen ganzen Kontinent verändert.
Er versuchte ebenfalls die Zusammenarbeit mit Afrika auszubauen (sogenannte Süd-Süd-Kooperation), knüpfte enge Beziehungen zu Ghaddafis Libyen, zum Iran oder Weißrußland – Staaten, die im Westen
wegen ihrer Aufmüpfigkeit gemieden und verunglimpft worden.
Gegen die Angriffskriege des NATO-Staaten bezog Chavez klar Stellung und versuchte diese mit Friedensinitiativen zu stoppen – wie z.B. beim NATO-Überfall auf Libyen, wo er selbst den ehemaligen
US-Präsidenten Jimmy Carter auf seiner Seite wußte.
Hugo Chavez hatte erst im Oktober 2012 mit Bravour eine weitere Wahl gewonnen, doch die neue Amtszeit konnte er nicht mehr antreten. Der Krebs, an dem er seit knapp zwei Jahren litt, hatte sich
wieder stärker ausgebreitet – hinzu kam noch eine Erkrankung der Atemwege, die er sich bei einer OP zugezogen hatte. Am 5. März 2013 starb Hugo Chavez im Alter von nur 58 Jahren in der Hauptstadt
Caracas.
Kurz vor seiner Operation hatte er seinen Vizepräsidenten und langjährigen Außenminister Nicolas Maduro zum Wunschnachfolger ausgerufen, falls er nicht mehr die Amtsgeschäfte übernehmen könne.
Maduro, einst linker Gewerkschafter, gehörte seit dem mißglückten Putsch von 1992 zu den engsten Unterstützern des Präsidenten und gilt als ehrliche Haut, auch wenn er nicht über Chavez´ Charisma
verfügt.
Bereits zwei Millionen Venezuelaner haben in den vergangenen Tagen von dem aufgebahrten Revolutionshelden Abschied genommen. Wie sehr Chavez auch international geschätzt wurde, zeigt die
Tatsache, das mindestens 15 Länder eine mehrtägige Staatstrauer ausgerufen haben, darunter China, Iran, Nigeria, Weißrußland und zahlreiche Länder Lateinamerikas. Selbst die neutrale Schweiz, die
mit der venezuelanischen Revolution wahrlich nicht viel am Hut hatte, ließ die Flaggen auf Halbmast herunter.
Hugo Chavez hat mit seinem politischen Wirken, seinem Kampf für soziale Gerechtigkeit, echte Demokratie, für Frieden, Unabhängigkeit und Menschenwürde nicht nur Lateinamerika verändert, sondern
auch Millionen Menschen auf anderen Kontinenten inspiriert.
Die First Lady Nicaraguas, Rosario Murillo, brachte es bei einer Trauerfeier für den Gestorbenen auf den Punkt: „Wir alle sind Chavez!“
Norodom Sihanouk – Vorkämpfer für Neutralismus und Frieden
Am 31. Oktober 2012 wäre der frühere kambodschanische König Norodom Sihanouk 90 Jahre alt geworden, doch er verstarb 15 Tage vor seinem Geburtstag.
1941 setzte die französische Kolonialmacht den 19-jährigen Sihanouk auf den Königsthron, weil sie glaubte, mit dem unerfahrenen Jüngling eine perfekte Marionette zu haben. Doch schnell
entwickelte dieser ungeahnte politische Fähigkeiten, arrangierte sich mit den in Indochina siegreichen Japanern und nach dem Krieg wieder mit den Franzosen, denen er Schritt für Schritt die
Unabhängigkeit seines Landes abtrotzte. Die endgültige Unabhängigkeit Kambodschas erreichte Sihanouk 1953, wobei er den Franzosen drohte, sich mit den Kommunisten zu verbünden, wenn Paris weiter
an Kambodscha als Kolonie festhält.
Auf dem Höhepunkt seiner Popularität dankte Sihanouk 1955 als König ab, überließ seinem Vater den Thron und gründete die Volkssozialistische Gemeinschaft (Sangkum), eine Partei, die einen
„sozialistischen Buddhismus“ anstrebte – ähnlich wie Premierminister Nehru in Indien. Mit einem fulminanten Wahlsieg wurde die Sangkum im gleichen Jahr stärkste politische Kraft und Sihanouk der
neue Premierminister. Damit hatte er viel größeren Gestaltungsspielraum als in der eher zeremoniellen Funktion des Königs.
Innen- wie außenpolitisch verfolgte Sihanouk einen Kurs der politischen Neutralität und nationalen Unabhängigkeit. Außenpolitisch äußerte sich dies z.B. in einer Schaukelpolitik zwischen Ostblock
und Westmächten. Auch war Sihanouk neben Indonesiens Staatschef Sukarno, Ägyptens Nasser, Jugoslawiens Tito und Nehru aus Indien einer der führenden Köpfe bei der Gründung der weltweiten
Bewegung der Blockfreien Staaten.
Innenpolitisch versuchte Sihanouk die Balance zwischen den politischen Extremen zu halten, in dem er sowohl linke als auch rechte Politiker auf der Liste der Sangkum kandidieren ließ und im
Zweifelsfall den politischen Schiedsrichter spielte.
Wichtige Wirtschaftszweige ließ er verstaatlichen. 1960 starb Sihanouks Vater – offenbar auch an den Spätfolgen eines US-amerikanischen Bombenanschlages der eigentlich Sihanouk gegolten hatte –
und diesem fiel wieder der Königsthron zu. Sihanouk wurde wieder Staatsoberhaupt, verzichtete aber auf den Königstitel.
Den USA mißfiel die unabhängige Außenpolitik Kambodschas und der US-Botschafter versuchte Sihanouk ziemlich plump – zuerst mit Geld, dann mit politischem Druck – in das US-Lager zu nötigen. Damit
biß er aber auf Granit und führte eine Verschlechterung der kambodschanisch-amerikanischen Beziehungen herbei. Im Vietnam-Krieg bemühte sich Sihanouk ebenfalls um Neutralität, erlaubte aber dem
Vietcong Schleichwege über kambodschanisches Territorium zu nutzen.
Die USA rächten sich mit einem grausamen Flächenbombardement des neutralen Landes, welches zehntausende zivile Opfer forderte. Die Gummibaum-Plantagen wurden mit Napalm niedergebrannt, tausende
Tonnen Glasscherben wurden über den Reisfeldern abgeworfen, damit sich die barfüßigen Bauern und die Wasserbüffel ihre Füße zerschneiden und nicht auf den Feldern arbeiten können. Alles, nur um
die kambodschanische Wirtschaft zu ruinieren und den Sturz Sihanouks zu befördern!
Als selbst diese Maßnahmen nichts brachten, inszenierte die CIA 1970 einen Putsch durch den rechten Premierminister General Lon Nol und den intriganten Prinzen Sirik Matak, der im Volk noch
unbeliebter als Lon Nol war. Beide erklärten das Ende der Monarchie, riefen die „Khmer-Republik“ aus und ließen Sihanouk, der sich gerade auf einer Auslandsreise befand, zum Tode
verurteilen.
Als sich die Parlamentsabgeordneten weigerten, den Putsch gutzuheißen, ließ Lon Nol Panzer vor dem Gebäude auffahren. Ergebnis: 83 von 86 Abgeordneten segneten plötzlich den Umsturz ab.
Die Volksrepublik China nahm Prinz Sihanouk und dessen Familie in Peking freundschaftlich auf und finanzierte ihm eine große Residenz. Offenbar angestachelt durch die chinesische Führung kündigte
Sihanouk die Gründung einer Exilregierung des Widerstandes an. Die Chinesen stellten einen Kontakt zur kambodschanischen kommunistischen Volkspartei (Pracheachon) her. Ihre Kader hatten zu
Beginn der 60iger Jahre Sihanouks Regierung verlassen und kämpften schon seit Jahren ohne großen Erfolg im Dschungel für einen kommunistischen Staat. Einer ihrer führenden Köpfe, Khieu Samphan,
war unter Sihanouk kurzzeitig Minister gewesen. Sihanouks Anhänger vom „linken“ Sangkum-Flügel bildeten breites ein Bündnis mit den Kämpfern der Pracheachon, und den Organisationen von
Intellektuellen, ethnischen Minderheiten, Bauern, Arbeitern, Mönchen etc.. Der militärische Arm dieses Bündnisses, die FAPLNK, in dem die Kommunisten den Ton angaben, bekam massiven Zulauf durch
die zahlreichen Anhänger Sihanouks aus der Bauernschaft.
Das Lon-Nol-Regime erwies sich als unfähig und korrupt. Es erklärte seine Kriegsteilnahme in Vietnam auf Seiten der USA. In Kambodscha ließ es Monarchisten, Linke und Liberale gleichsam verfolgen
und zeichnete sich für grausame Massaker an der vietnamesischen Minderheit verantwortlich. Den Partisanen der „königlich-kommunistischen“ Guerilla-Armee hatte das morsche Regime nichts
entgegenzusetzen und kassierte eine Niederlage nach der anderen. Es dauerte nicht lange, da kontrollierten die USA und ihre Marionette Lon Nol trotz eines brutalen Bombenkrieges, für den sich der
spätere „Friedensnobelpreisträger“ Henry Kissinger zu verantworten hat, nur noch die Hauptstadt Phnom Penh und ein paar große Überlandstraßen.
1975 war alles vorbei. Die USA flogen Lon Nol aus, in Laos und Vietnam siegten die Kommunisten und auch in Kambodscha marschierten die Widerstandskämpfer der Königlichen Regierung der Nationalen
Einheit (FUNK) in die Hauptstadt ein. Es wird wohl nie ganz geklärt werden, was in dieser Zeit und den nachfolgenden Jahren passiert ist. Wie es eine zahlenmäßig kleine radikal-kommunistische
Gruppe innerhalb der FUNK schaffen konnte, derartig die Macht an sich zu reißen und alle anderen auszubooten. Wie es überhaupt möglich war, daß diese kommunistische Gruppe von Kambodschanern
(Sihanouk verwendete den Begriff „Rote Khmer“ für sie), die in den Jahren des Widerstandes 1970-75 selbst am Regierungsprogramm der FUNK mitgearbeitet hatten und sich durch vernünftige Ansichten
auszeichnete – wie diese Gruppe plötzlich das ganze Land in einen revolutionären blutigen Amoklauf stürzte und eine der schlimmsten Diktaturen des 20. Jahrhunderts errichtete.
Formal diente Sihanouk diesem Regime, daß ihn quasi zur Geisel machte, im ersten Jahr noch als machtloses Staatsoberhaupt und diplomatisches Feigenblatt, bis er 1976 zurücktrat und mit seiner
Frau im Königspalast unter Hausarrest gestellt wurde. Das Regime der Roten Khmer, dessen offizieller Führer Khieu Samphan, aber dessen wirklicher Herrscher im Hintergrund der geheimnisvolle
Saloth Sar alias Pol Pot gab, war, errichtete einen steinzeitkommunistischen Bauernstaat und ließ die Stadtbevölkerung aufs Land zwangsumsiedeln. Über eine Mio. Kambodschaner kamen in den knapp
vier Jahren der Pol-Pot-Herrschaft um, Sihanouk überlebte nur, weil China den Roten Khmer klarmachte, daß es seine Ermordung nicht dulden werde.
Nach Grenzkonflikten mit Vietnam überrannte die vietnamesische Armee 1979 die Stellungen von Pol Pots Kindersoldaten, die Chinesen flogen Sihanouk aus Phnom Penh aus. Im Pekinger Exil zimmerte er
sofort wieder eine Exil-Regierung aus Monarchisten, Republikanern und Kommunisten zusammen, die militärischen Widerstand gegen die nun folgende zehnjährige vietnamesische Besatzung
organisierte.
1991 unterzeichneten die Bürgerkriegsparteien dann ein Friedensabkommen und die UNO entsandte eine große Friedensmission in das Land. Sihanouk wurde als „Vorsitzender eines Obersten
Nationalrates“ provisorisches Staatsoberhaupt.
Die Wahlen von 1993 brachten ein politisches Patt hervor. Obwohl die von Sihanouk noch im Exil gegründete und mittlerweile von seinem Sohn Prinz Norodom Ranariddh geführte Vereinigte Nationale
Front für ein unabhängiges, neutrales, friedliches und solidarisches Kambodscha (FUNCINPEC) mit 58 von 120 Parlamentssitzen stärkste Kraft im Parlament wurde, weigerte sich der seit 1985
amtierende pro-vietnamesische Premierminister Hun Sen (Kambodschanische Volkspartei CPP, 51 Sitze) die Macht abzugeben. Da Hun Sen und seine Anhänger den Sicherheitsapparat und das Militär
kontrollierten, saß er letztlich am längern Hebel.
Doch auch hier fand Sihanouk eine für ihn typische Lösung und erklärte sich – der 1955 abgedankt war und 1960 abermals auf den Königstitel verzichtet hatte – zum neuen alten Monarchen von
Kambodscha und ernannte Ranariddh zum Ersten, Hun Sen zum gleichberechtigten zweiten Ministerpräsidenten.
Doch die beiden zerstritten sich schnell und 1997 putschte Hun Sen den Prinzen aus dem Premiersamt und regierte mit einem loyalen FUNCINPEC-Flügel weiter. König Sihanouk, dessen Amt auf rein
repräsentative Aufgaben beschränkt war, mißbilligte zwar den Putsch, konnte aber nichts unternehmen. Ohnehin hielt er sich nunmehr größtenteils zur medizinischen Behandlung in Peking auf, denn er
litt an Bluthochdruck, Darmkrebs und Diabetes. Dennoch setzte er sich weiter für sein Land ein und war z.B. treibender Keil bei der Durchsetzung neuer schärferer Umweltschutzgesetze, mit denen
der Raubbau am Regenwald bekämpft werden sollte.
Ranariddh verschanzte sich mit ein paar hundert loyalen Soldaten im Urwald und suchte das Bündnis mit den letzten kämpfenden Resten der Roten Khmer gegen Hun Sun.
Im Jahre 2004 dankte Sihanouk dann aus gesundheitlichen Gründen endgültig ab und überließ seinem Sohn Norodom Sihamoni, der Kambodscha bisher als UNESCO-Botschafter gedient hatte, den Thron. Nach
und nach zog sich Sihanouk immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück, kommunizierte fast nur noch über seine Internetseite mit der Öffentlichkeit. Auch der Postkontakt zum Autor dieses Artikels
erlahmte.
Am Morgen des 15. Oktobers 2012 ist Norodom Sihanouk friedlich eingeschlafen. Kambodscha verliert mit ihm nicht nur den „Vater der nationalen Unabhängigkeit“ sondern auch den für das Land wohl
bedeutendsten Politiker des 20. Jahrhunderts, der immer wieder bestrebt war, zwischen extremen politischen Standpunkten auszugleichen und Bündnisse weit über ideologische Grenzen, angetrieben vom
gemeinsamen Anliegen für das Gemeinwohl, zu schmieden.
Kay Hanisch
31. Oktober 2012
Botschaft der Bolivarischen Republik Venezuela in der
Bundesrepublik Deutschland
Schillstrasse 9-10
10785 Berlín
Betrifft: Kondolenz zum Tode von Präsident Hugo Chavez
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großer Bestürzung und Trauer haben wir, die Mitglieder der Bürgerbewegung Neue Richtung vom Tod des Staatspräsidenten Venezuelas und Führers der Bolivarischen Revolution, Hugo Chavez
Frias, erfahren und möchten Ihnen und dem ganzen venezuelanischen Volk hiermit unser tiefstes Mitgefühl und unsere große Anteilnahme ausdrücken.
Präsident Chavez hat nicht nur Venezuela, sondern ganz Lateinamerika zum Besseren verändert und war ein Hoffnungsträger für Millionen Menschen auf der ganzen Welt.
Auch uns, als demokratische und soziale Bürgerbewegung, haben seine Ideen und Ideale inspiriert.
Die erfolgreiche Bekämpfung von Analphabetismus, die Gesundheitsfürsorge für die ärmeren Bevölkerungsschichten, die friedliche Kooperation mit den Nachbarländern, die Schaffung der kommunalen
Räte als Ausdruck demokratischer Mitbestimmung oder sein Eintreten für eine friedliche Welt sind nur einige Ziele, die uns imponierten und die wir mit ihm teilten.
Auch die demokratische Opposition in Deutschland wird Hugo Chavez vermissen.
Wir wünschen dem venezuelanischen Volk, daß es stark und einig bleibt und die Versuche westlicher Mächte, ihren Einfluß in Venezuela zu restaurieren, abwehren kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Kay Hanisch
(Sprecher Neue Richtung)